Von Barby nach Gnadau

Die Grundsteinlegung für das erste Haus in Gnadau war am 17. Juni 1767. Am gleichen Tag des Jahres 1722 war der erste Baum für den Bau des Ortes Herrnhut bei Zittau in der Oberlausitz gefällt worden, welcher für die Ansiedlung böhmischer und mährischer Glaubensflüchtlinge angelegt wurde. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) stellte sich selbst und seinen Landbesitz Gott zur Verfügung. So entstand durch die Erneuerung der Alten Böhmischen Brüderunität (deren letzter und bekanntester war der als Pädagoge und Bischof tätige Johann Amos Comenius, 1592-1670) die Lebens- und Glaubensgemeinschaft der Herrnhuter Brüdergemeine. Frauen und Männer wollten einfach (daher der Name "Gemeine") und geschwisterlich (daher die Bezeichnung "Brüder") miteinander leben.

Das Barbyer Schloss

Als Graf Zinzendorf zeitweise aus Sachsen ausgewiesen wurde, konnte die Brüdergemeine das Schloss in Barby pachten. Dort war in der Zeit von 1749 bis 1809 für einige Jahre der Sitz der Kirchenleitung, das Theologische Seminar und das Pädagogium, eine Sternwarte, das Naturalienkabinett und eine Druckerei.


Die Neugründung Gnadau

An der Straße von Barby nach Schönebeck wurde auf dem Boden des Vorwerkes Döben der Ort Gnadau erbaut. Die Wohngebäude, Grünflächen und Wege der barocken Ortsanlage sind planmäßig angelegt: In der Mitte der "Gnaden-Aue" ist der Platz. An dessen Seiten befinden sich der Gemeinsaal (die "Kirche") mit dem Dachreiter, Wohnhäuser für Familien, die Brüder- und Schwesternhäuser sowie kleinere Handwerksbetriebe. Der Ort wird von einer fast quadratischen Allee umschlossen, die an jeder Seite reichlich 300 m lang ist, sodaß die gesamte Ortsfläche 100.000 qm beträgt. Der Gemeinsaal wurde 1780/81 in 14 Monaten erbaut. Große Fenster erhellen den schlichten weißen Betsaal mit Liturgustisch, Emporen, Logen und der pneumatischen Rühlmann-Orgel von 1891.


Buchdruck, Schule und Brezeln

Die Buchdruckerei, der Verlag der Unitätsbuchhandlung und die Buchbinderei stellten jahrzehntelang die Herrnhuter Losungen her und vertrieben sie. Die jährlich erscheinenden "Losungen" sind ein seit 1731 herausgegebenes Andachtsbuch der Brüdergemeine mit ausgelosten Bibelversen. Sie werden derzeit in etwa 50 Sprachen übersetzt und verbinden weltweit viele Christen miteinander. Die deutschsprachige Auflage beträgt etwa 1 Million.

Am 1. August 1814 wurde mit der Mädchenanstalt die Arbeit der "Gnadauer Anstalten" begonnen. Im Laufe der Jahre gab es für Mädchen und Jungen, Kinder und Jugendliche viele verschiedenartige Ausbildungsmöglichkeiten, z.B. Grundschule, Haushaltsschule, Oberschule, Oberlyzeum, Lehrerinnenseminar, Internat, Vordiakonie, Ausbildungen für Kinderdiakoninnen und Katechetinnen. Auch der Kindergarten, das Altenheim und das Predigerseminar der Ev. Kirchen der Union waren etappenweise übernommene Aufgaben und machten den kleinen Ort weit bekannt.

Die kleinen würzigen Gnadauer Brezeln, eine Spezialität der Gnadauer Bäckereien, waren früher weit verbreitet, bekannt und begehrt.


Kirchliche Einrichtungen

Zur Ev. Brüdergemeine Gnadau gehören heute knapp 250 Mitglieder, wovon etwa 80 im Ort Gnadau wohnen. Der Ort selbst hat etwa 500 Einwohner. Der Prediger der Brüdergemeine betreut auch die knapp 200 landeskirchlichen Gnadauer Gemeindeglieder der Martin-Luther-Gemeinde Schönebeck.

Das Altenpflegeheim der Gnadauer Anstalten hat z.Zt. etwa 70 Pflegeplätze. Die Kindertagesstätte mit Schulhort ist teils in den alten, teils in einem neuen Gebäude, einem ökologischen Musterbau untergebracht. Der Anstaltspark steht so Jung und Alt zur Verfügung. Erwähnenswert ist die leider heute nicht mehr als solche genutzte Mädchen-Turnhalle im Anstaltshof, die eine der ältesten ihrer Art in Deutschland ist.

Im Jahr 2002 hat die Zinzendorfschule in Gnadau begonnen. Die einzügige Grundschule ist eine evangelische Bekenntnisschule in der Trägerschaft der Johannes-Schulstiftung.

Der Herrnhuter Adventsstern, der alljährlich viele Kirchen und Wohnungen schmückt, ist ebenfalls eine "Erfindung" aus Schulen der Brüdergemeine.


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